Das Panorama

Morgendämmerung. Nebelschwaden über dem Wasser. Aus dem Grau schälen sich die ersten Farbpartikel. Langsam und bedächtig bricht ein neuer Tag an. Es regnet. Dicke Tropfen klatschen auf der Oberfläche des Sees auf und bilden miniaturartige Wellen. Warum ich mir das freiwillig antue? Morgens vor Sonnenaufgang aufstehen, obwohl ich heute frei habe?

Der frühe Vogel

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man aufstehen „muss“, oder es kann. Doch ich gebe zu, auch mir fällt es anfangs schwer.

Ich packe meine Sachen und fahre los. Es ist kalt und feucht. Zusammen ergibt das einen guten Grund, nicht rauszugehen wenn man nicht „muss“. Sobald man jedoch am See ist und das oben beschriebene Panorama sieht, tut alles schon nicht mehr so weh. Das warme Bett ruft nicht mehr ganz so laut.

Ich stelle meinen Angelschirm schräg auf, so dass sich nach hinten hin - also weg vom See, ein geschlossener Bereich bildet. Der Schirm hat eine Spannweite von 2,50m. Darunter platziere ich meinen verdammt bequemen Angelstuhl. Ich präpariere noch kurz die Angel: Be -bleien, Pose dran, Köder dran… läuft. Die Angel auswerfen (es reicht eigentlich, die Schnur auszuwerfen), auf den Angelständer legen und hoffen, dass vorerst kein Fisch anbeißt.

Jetzt setze ich mich in meinen Angelstuhl, kuschel mich in meine gute Kleidung, welche mir beweist, dass es kein schlechtes Wetter gibt und packe mein Frühstück aus. Der Kaffee dampft. Nebel über dem See. Nebel über dem Kaffee. Beides klingt am Ende gleich, schmeckt aber vermutlich unterschiedlich. Ich bin nicht gewillt, dies herauszufinden. Zum Kaffee gibt es Stullen. Mit Käse oder Wurst. Is mir wurscht. Schmeckt beides. Ich genieße den Moment. Himmlisch. Das ist Angeln. Alleine die Stille und die Stulle genießen. Mit Kaffee. In der Natur. Gerne auch mit Regen. Warm und geborgen im Schutze des Schirms. Auf das die Fische vorerst nicht beißen mögen. Das ist Angeln.

-es heißt Angelsport aber ich nenne es lieber Angel-Meditation.

-es gibt Angelwettbewerbe aber wem muss jemand wie ich schon was beweisen.

Denk auch mal an Dich

Das Handy bleibt übrigens aus. Da muss man konsequent bleiben. Ich habe ein Meeting mit dem wichtigsten Menschen überhaupt - mir selbst. Da lasse ich mich nicht stören. Ein wenig Egoismus ist wichtig und gesund. Denn wem kann man schon helfen, ja für wen kann man schon da sein, wenn man selbst nicht mal auftankt? Ein Auto mit leerem Tank fährt nirgendwo hin.

Bei der Angel-Meditation kann es übrigens tatsächlich vorkommen, dass man einen Fisch fängt. Viele Meditations-Angler fühlen sich dann, wie der Joker es sagen würde: Wie der Hund der dem Auto hinterher rennt und gar nicht weiß was er damit machen sollte , würde er mal eines erwischen. Mein Tipp: Mit Knoblauch servieren. Oder mit Zitrone. Oder einfach mit Beidem.

PS: Man braucht natürlich einen Angelschein wenn man angeln möchte. Bei der Angelmeditation kann man jedoch auch eine Angel – Attrappe verwenden. Beispielsweise einen Stock mit einem Faden dran, an dem einfach kein Haken befestigt wird. Geht immer!

Petri Heil? Nein bloß nicht.