Ich möchte schreiben. Gefühle und Gedanken in Worte fassen um Dir eine Geschichte zu erzählen. Dabei möchte ich ehrlich sein. Dem Wunder mit all' seinen Farben und Formen Platz einräumen damit es Atmen kann. Der Angst den selben Platz geben, damit sie wirken kann. Ich möchte Dich mit mir nehmen in die Welt in meinem Kopf in der es gerade so viel zu entdecken gibt. Dort wirst Du Dinge sehen, hören und erleben. Manche werden Dich erschrecken und andere werden dein Herz erwärmen. Doch ich möchte, dass Du bei mir bleibst. Mit mir lachst und weinst, die Welt verstehst und an ihr verzweifelst. Nimm Platz, mach' es dir bequem. Beobachte und beurteile wenn du möchtest. Die Reise beginnt...

Will ich das? Kann ich das?

Kinder...ich hatte nie den Bedarf welche zu bekommen, aber auch nie etwas dagegen.
Mein Leben war schließlich ziemlich perfekt. Ich hatte einen tollen Job, eine tolle Frau,
ein kleines Häuschen, war körperlich fit und musste mir um das finanzielle keine Gedanken machen. Also warum sollte ich dieses Leben ändern wollen? Natürlich sind das hervorragende Voraussetzungen dafür ein Kind zu bekommen und jünger als 32 würde ich nun auch nicht mehr. Aber Vater werden? Mit allem was dazu gehört? War ich bereit dafür? Meine Beziehung zu meinem Vater war praktisch nicht existent und wenn dann würde ich es besser machen. Nein, ich würde es perfekt machen. War ich also bereit alles aufzugeben wenn nötig? Was wenn ich meinen Job verliere? Wäre ich bereit ganz von vorne zu beginnen? Wäre ich bereit all meine persönlichen Bedürfnisse zu ignorieren und ein Kind an die erste Stelle zu setzten? Ich hatte viele Bedürfnisse. Das größte Bedürfnis war zudem in Ruhe meinen Projekten nachgehen zu können, Dinge zu erleben und frei zu sein. Wenn ich das aufgeben würde wer wäre ich dann?

Ich habe mich damit lange Zeit auseinandergesetzt und bin am Ende zu dem Schluss gekommen, dass ich bereit bin alles aufzugeben was mich ausmacht, sollte es nötig sein. Berge zu versetzen und mit bloßen Händen gegen Wölfe zu kämpfen sollte Gefahr drohen. Also gut, machen wir ein Kind!

Ein Wunsch alleine ist nicht genug

Kannst Du hören wie eine Tür ins Schloss knallt? Rumms! Ein Kind machen...so einfach es sich anhört, so schwierig war es für mich und meine Frau. Sie hatte schon länger den Wunsch schwanger zu werden jedoch hatte ich bisher immer die Bremse gezogen und gesagt: "Noch nicht." Nun war es jedoch soweit und wir sind lachend in die Kreissäge gelaufen. Nichts, aber auch  wirklich gar nichts hat funktioniert. Es war als hätte ich mich dazu entschieden Bungee zu springen. Mit dem Seil befestigt am Abgrund stehend, den Mut gefasst all meine Ängste zu überwinden und bereit mich fallen zu lassen und alles zu erleben nur damit Jemand just in dem Moment von hinten ruft: "Stopp!".

Die Verbindung zwischen Spermium und Ei wollte nicht funktionieren. Untersuchungen ergaben keinerlei Grund dafür. Wir haben die fruchtbaren Daten abgepasst, Eileiterfunktionen auf schmerzhafte Weise durchleuchtet, enthaltsam gelebt und Vitamine genommen. Nichts. Sollte ich wieder alles in Frage stellen? Waren wir vielleicht auf einem Weg der nicht zu uns passte? Für den wir nicht bereit waren? Ich war
mittlerweile über 33 Jahre alt und Vorstadt-Kevin hatte in der Zeit gefühlt 8 Kinder in die Welt gesetzt. Warum also nicht ich? War ich nicht männlich genug? Lag es an meiner Ernährung? Meine Frau stellte sich noch viel mehr Fragen.

Fakt war, dass es auf diese Weise voraussichtlich nicht funktionieren würde. Also den Weg Richtung künstliche Befruchtung einschlagen? Unnatürlich! Aber bleibt uns eine Wahl? Und können wir nicht froh sein, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt? Also gut...einen Fuß vor den Anderen. Während ich nicht viel Machen konnte außer immer wieder einige Tage enthaltsam zu sein musste meine Frau unzählige Termine, Untersuchungen und Schmerzen über sich ergehen lassen. Am schwersten waren jedoch die immer wieder kommenden Rückschläge. 3 Inseminationen wurden von Ärzten durchgeführt die
ich noch liebevoll als Metzger bezeichnen möchte. Nach jeder hieß es 2 Wochen auf das Ergebnis warten. Jedes mal den Anruf zu erhalten und ein negatives Ergebnis zu bekommen hat nicht gerade Mut gemacht.

Niedergeschlagen, die Waffen fallen gelassen, Tränen abwischend und Zähne knirschend ging es also in die letzte Instanz: Künstliche Befruchtung. Mittlerweile war ich 34 Jahre alt und Vorstadt-Kevin hatte um die 40 Kinder gezeugt. Damit abgefunden kam der Schock, dass ein Versuch ca 6.000 € kosten würde. Ich dachte manchmal Gott sitzt am Ende dieses steilen Weges und rollt lachend immer wieder Felsbrocken auf die Rutsche. Was sollte denn noch kommen?

Aufstehen wenn man fällt

Nach einer wunderbar uninformativen Empfehlung der Metzger dies doch im Ausland machen zu lassen, da es dort viel günstiger sei, schauten wir uns eine Kinderwunschklinik in der Nähe an. Der Preis war hier Geschäft. Zu einer künstlichen Befruchtung bzw. zu dem Versuch (es gibt ja auch hier keine Garantie), hätten die uns noch das passende Haus und Auto dazu verkaufen wollen. Es ging hier nicht um uns oder unseren Wunsch, sondern darum das wir Verträge unterschreiben und das bitte sofort.

Enttäuscht verließen wir die Klinik also wieder und suchten uns eine Andere. Überrascht, dass dort so ganz richtige Ärzte arbeiten die sich für uns Zeit nahmen und uns alles in Ruhe erklärt haben, obwohl Sie dies wahrscheinlich 1.000 mal am Tag machten, hatten wir das Gefühl hier am richtigen Ort zu sein. Zudem gaben diese uns den Tipp, dass eine bestimmte Krankenkasse, in der ich eh schon Mitglied war mein Frau jedoch noch nicht, die Kosten für 3 Versuche voll übernimmt. Das wären 18.000 €. Wir hatten wieder Möglichkeiten! Vielleicht war der Steineroller da oben kurzzeitig von der Sonne geblendet oder wollte die Steine so in den Weg werfen damit wir hier ankommen. Wie auch immer...gesagt getan...

Nach einer kurzen und schmerzfreien OP für meine Frau konnte die Sache also starten. Die Ärzte dort hatten Einhorn Status denn als aller Erstes haben Sie mich und meine Frau sehr gründlich durchgecheckt um zu sehen was für Probleme vorliegen und so festlegen zu können, dass eine künstliche Befruchtung eines Eis mit einem Spermium überhaupt notwendig sei. Es wurde noch ein Problem behoben, welches jedoch nichts mit der Befruchtung zu tun hatte, und dann konnten wir uns frei entscheiden ob wir diesen Weg gehen wollten. Spoiler: Wir wollten.

Warten, warten, warten...

Wieder vergingen ein paar Monate da die Eier erst gezüchtet, dann befruchtet und wieder eingesetzt werden mussten. Wir entschieden uns, auch auf die Gefahr das es Zwillinge werden, zwei befruchtete Eier einzusetzen. Dann hieß es wieder zwei Wochen warten. Endloses warten. Werden wir wieder enttäuscht? Dies war die letzte Möglichkeit. Sollte es wieder nicht klappen hätten wir zwar noch zwei weitere Versuche aber dann würde all das wieder von vorn beginnen. Zudem zweifelten wir an unseren Körpern bereits mehr als genug. Was wenn nicht einmal ein befruchtetes Ei in der Gebärmutter reifen würde? Könnten wir uns dann komplett von dem Gedanken eigene Kinder zu bekommen
verabschieden? Warten...8 Tage vorbei, 9 Tage vorbei.

Doch auch diese 14 Tage gingen vorbei und meine Frau konnte nun eine Blutprobe abgeben um die Werte zu ermitteln. Achja, danach hieß es wieder warten...

Nervös nahm meine Frau den Hörer und wählte die Nummer der Kinderwunschklinik. Es klingelte...
"Kinderwuschklinik XY, Hallo.".
Atmen, ruhig Atmen...
"Hallo, hier ist YZ. Ich würde gerne meine Ergebnisse erfahren",
"Natürlich, einen Moment bitte."
Atmen, weiter Atmen...
"Frau YZ?"
"Ja?"
"Ich Werte schießen in den Himmel! Sie sind sowas von Schwanger! Herzlichen Glückunsch!"
Den Hörer drücken, fest...ganz fest, die Zähne aufeinander beißen, anspannen und dann...
Los lassen. Fallen lassen. Grinsen. Lächeln. Lachen! Freuen! Den Rucksack mit den Steinen abwerfen. Sich in die Arme fallen. Weinen. Tanzen. Hüpfen. Springen...Atmen, endlich wieder Atmen.

Wir hatten es geschafft. Nach 3 Jahren voller Zweifel, Schmerzen, Fallen und wieder aufstehen, hatten wir es geschafft. Als Paar, als Verliebte, als Freunde, als Team, zusammen...als Familie.